Herzlich willkommen
auf meinem Israelblog!

„Gestaute Zeit“ (Dan Diner) hieß hier ein Blog-Eintrag vor längerer Zeit. Jetzt hat sich das Aufgestaute in einem schrecklichen Pogrom entladen: Die Hamas hat in einem beispiellosen Angriff mehr als 1200 Menschen in Israel auf grausamste Weise ermordet. Massaker sind an Juden, weil sie Juden waren, in der Geschichte unzählige Male geschehen, jedoch zum ersten Mal auf dem Boden Israels am letzten Tag des Laubhüttenfests und am ersten Tag von Simchat Thora 2023. David Grossman nennt es den „Schwarzen Schabbat“ (FAZ, 12.10.23), vielleicht der künftige Name in der Geschichte des Antisemitismus.


Seit meiner letzten Israel-Reise im Februar/März 2023 gab es hier nur wenige Blog Einträge. Vielleicht hat sich bei mir unbewusst aufgestaut, dass etwas Schreckliches kommen wird, was alles Tagesaktuelle in den Schatten stellt. Mit diesem vagen Gefühl haben auch einige Freunde und ich eine Israel-Reise verschoben, die in diesen Tagen geplant war. Nun will ich wieder regelmäßig schreiben, wenn ich den Eindruck habe, etwas zum Verständnis der unübersichtlichen Lage beitragen zu können.


Natürlich können auch ältere Beiträge nachgelesen werden. Sie beginnen mit Bildern und Texten

einer längeren Reise nach Israel "Unterwegs (2019)", unter "Nachgegraben (2020)" folgen Texte, die danach zu Hause entstanden sind.

Unter "Blog - Aktuelles" finden sich alle Beiträge und Texte ab dem Jahr 2021, wie auch die letzte Reise am Beginn des Jahres 2023 - "Rückblick Israelreise".


Wer sich täglich schnell orientieren will, empfehle ich den „Perlentaucher“

(https://www.perlentaucher.de/), ein Online-Dienst, der Berichte und Artikel aus dem kulturellen und politischen Leben kurz referiert und verlinkt. In Bezug auf Israel, Nahost vertritt er stets Positionen, die meinen sehr nahe kommen.


Wie immer freue ich mich über Reaktionen in den „Kommentaren“ oder auch in ausführlichen

Telefonaten (OFW!).


Oktober 2023


Heinz Sigmund

Welcome to my Israel blog!

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Aktuelles

27.03.2024

Die Zeit staut sich immer noch!


Am 7. Dezember 2023 schrieb der israelische Soziologe Natan Sznaider: Israels längster Tag dauert nun schon zwei Monate! Der 7. Oktober vergeht in Israel nicht bis heute- kann man zum Frühlingsbeginn 2024 ergänzen. Der bestialische Massenmord der Hamas-Terroristen, die Geiselnahme, die brutalen Vergewaltigungen, die Straßenfeiern mit Süßigkeiten und

Triumph-Geschrei, die mediale Verbreitung der Gräuel sind in Israel noch immer Gegenwart. Anders im Rest der Welt, der auf Gaza blickt, auf die ungeheure Zahl der Toten, auf Hunger und sterbende Kinder. Alle Welt wartet jetzt auf die Lösung des Konflikts. Man will es nicht länger mit ansehen, Hilflosigkeit und Zorn werden unerträglich.

 

Israel und die Welt können sich (derzeit) nicht verstehen. Sznaider beschrieb am 7.12.2023, was sich bis heute nicht geändert hat: „Seit dem Morgen des 7.Oktober schauen wir in Israel in einen Abgrund, den wir uns in unseren schlimmsten Albträumen nicht hätten vorstellen können. Erinnerungen an Pogrome, an das Töten von Jüdinnen und Juden durch die Nazis im Rausch der Ekstase, an anti-jüdischen Hass sind nun Teil der israelischen Erfahrung….Alle Israelis wissen, dass es kein Zurück zum 6. Oktober geben wird. Auch das israelische Friedenslager wird seine Grundannahmen ändern. Sicher hat Israel Jahrzehnte lang Unrecht in Gaza begangen. Und die Besatzung führt viel zu oft zu Machtmissbrauch. Aber Hamas ist keine anti-kolonialistische Organisation, wie sie von Teilen des progressiven Milieus außerhalb Israels gesehen wird… Sie wollten dieses Massaker, und sie haben die Vergewaltigungen der Frauen, die Erniedrigungen der Kinder und die Grausamkeiten gegenüber Männern stolz gefilmt und verbreitet.“ (In: Der Standard vom 7.12.2023).

 

Wer in der Zuschauerrolle ist, wo auch immer, wird diese israelische Sicht nicht verstehen können, nicht verstehen wollen oder - wenn mit empathischen Fähigkeiten ausgestattet - nur im Ansatz begreifen. Die existentielle Bedrohung der Israelis ist real, und sie wird in Israel von Linken und Rechten und Unpolitischen geteilt. Die Hamas ist noch da und damit weitere potentielle Massaker. Die Hisbollah schießt täglich vom Libanon aus und verhindert, dass mehr als 100.000 innerisraelische Flüchtlinge in ihre Wohnungen zurückkehren können, und weiter von überwiegend Ehrenamtlichen versorgt werden müssen. Der Iran droht Israel täglich mit Auslöschung und scheint mit seinen Plänen voran zu kommen, denn der weltweite Antisemitismus gewinnt an Sympathie. Die derzeitige Regierung in Israel ist schlecht und hat diese Situation mitzuverantworten. Dennoch sind sich zumindest alle jüdischen Israelis einig - mit Ausnahme von einigen ultra-orthodoxen Ausreißern: Das Land muss verteidigt werden, denn Israel hat das Recht zu existieren. Es war der Wille der Völkergemeinschaft 1947, dass Juden vor Verfolgung und Mord sicher sein dürfen. Dieser kleine Staat, dessen Identität auf diesem kleinen Stück Land eine mehr als dreitausendjährige Geschichte hat, ist der arabischen Bevölkerungsmehrheit in der Region zuzumuten. „Nie wieder Auschwitz!“ heißt aber leider auch Gewalt und Widerstand gegen alle, die die Nazizeit reinszenieren wollen. Eine Enthamasifizierung ist jetzt so notwendig wie es eine Entnazifizierung nach dem 2.Weltkrieg war. Leider gibt es weiterhin Nazis, wie auch immer sie heute angemalt sein mögen, aber realpolitisch waren sie zumindest in der Nachkriegszeit weitgehend bedeutungslos. Genauso wird es weiterhin die Hamas und ähnlich angemalte Terrorgruppen geben, aber sie müssen politisch bedeutungslos werden in Palästina und überall in der nicht nur arabischen Welt. Bestünde über diesen Zusammenhang Einigkeit, könnte man über Lösungen für Gaza und den Nahostkonflikt nachdenken. Darüber und über sogenannte Kontextualisierungen demnächst mehr.



24.12.2023


Im Text von Varda Muhlbauer ist die Rede davon, dass „wir am 7. Oktober in einer veränderten
Realität aufgewacht sind“. Nahezu identisch formulierte Außenministerin Baerbock in der ersten
Bundestagsdebatte nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Zehn Wochen nach dem
ungeheuerlichen Massaker der Hamas zeigen sich allerdings völlig verschiedene Realitäten in Israel und Deutschland, aber auch für Juden und Nicht- Juden in der ganzen Welt. Vardas Beitrag in der „Times of Israel“ versucht Licht ins Dunkel zu bringen - aus der Sicht von liberalen Juden in und außerhalb Israels, in der sogenannten Diaspora.


Im März diesen Jahres waren wir zusammen auf einer Demonstration gegen Netanjahus
rechtsradikale Regierung. Ich habe versucht, ihren Text auf der Basis einer KI-Übersetzung in
lesbares Deutsch zu bringen. Eine eigene Übersetzung hätte mich überfordert, aber da ich Vardas
Denken einigermaßen kenne, dürften ihre Intentionen in dieser Fassung deutlich werden. Trotz
allem Dunkel in dieser Welt wünsche ich allen LeserInnen zu Weihnachten 2023 ein wenig „Licht
vom unerschöpften Lichte“, von dem das alte Kirchenlied „Morgenglanz der Ewigkeit“ singt und
spricht.




Varda Muhlbauer

Antisemitisches Getrommel und die Not jüdischer Liberaler

 

Der aktuelle Tsunami des Antisemitismus hat viele in der jüdischen Gemeinde verblüfft. Er hat jedoch vor allem die jüdischen Liberalen in Israel verwirrt und entsetzt. Eine Freundin erzählte mir, dass sie in letzter Zeit Jean-Paul Sartres Buch "Antisemit und Jude" [1]auf ihrem Nachttisch liegen hat. Sie sagt, dass sie gerade jetzt dringend sein klares Denken und noch klareres Schreiben braucht, denn er versteckt sich nicht hinter soziologischen Abstraktionen oder Schlagworten. (Obwohl das Buch 1944 geschrieben wurde), hilft es das emotionale und intellektuelle Chaos zu entwirren, das nach dem katastrophalen Zusammen-stoß zwischen Hamas und Israel ausgebrochen ist. Offensichtlich ist Sartres Buch nicht das, was man als idyllische Bettlektüre bezeichnen kann. Meine Freundin sagt jedoch, dass es ihr hilft, zwischen legitimen Argumenten und einem Antisemitismus zu unterscheiden, der nicht in die Kategorie der freien Meinungsäußerung fällt. Sartre schreibt über die Logik der antisemitischen Leidenschaft, die oft tief sitzend ist und in Formen theoretischer Vorschläge dargelegt werden kann, die plausibel klingen.

Und in der Tat ist Sartres Text zu diesem unerbittlichen Thema eine Augen öffnende Erfahrung. In seinen abschließenden Bemerkungen stellt er fest: Es ist unwichtig, dass der Antisemitismus eine falsche Vorstellung ist, stärker wiegt die Tatsache ist, dass es sich um das falsche Denken einer Gruppe (bzw. ganzer Gruppen,HS) handelt. Der Jude muss immer beweisen, dass die Anschuldigungen falsch sind. Und doch werden die Menschen (gemeint sind die Antisemiten,HS) den Beweis, den er liefert immer ablehnen. Und an anderer Stelle schreibt er: „Antisemitische Leidenschaft geht den Tatsachen voraus, die sie hervorrufen sollen; sie sucht sie aus, um sich an ihnen zu ernähren“.

Es ist definitiv seltsam zu sagen, dass ein Buch über das antisemitische Phänomen jemandem Trost spenden kann, der im aktuell komplizierten Spinnennetz gefangen ist. Viele liberale Juden erleben jetzt einen orwellschen Alptraum. Was auch immer sie als gemeinsame Wahrheiten mit den westlichen Liberalen hielten, brach schnell zusammen und wurde durch Fakten und Anekdoten ersetzt, die in einer Art und Weise verdreht wurden, wie es der Strategie und der Propaganda der Hamas entspricht. Auch glaubten jüdische Liberale, dass sie eindeutig zu einer besonderen kulturellen Gemeinschaft gehören, die gemeinsame liberale Werte teilt. Nun müssen sie feststellen, dass sie aus dieser Gemeinschaft vertrieben werden.  Stattdessen werden sie einer Kategorie von Identitätsjuden zugeordnet, die durch Attribute wie Privilegierte, Unterdrücker, Kolonisatoren und vieles mehr gekennzeichnet werden (Simon Sebag Montefiore widerlegt diese Behauptungen methodisch in einem interessanten Artikel in The Atlantic). Viele liberale Juden reiben sich jetzt ungläubig die Augen. Wie kann es sein, dass ein totalitäres fundamentalistisches Regime, das offen den Jihad und „ Itbah al – yahud“ (Schlachtet die Juden) propagiert als legitime und hoch angesehene Organisation von Freiheitskämpfern angesehen wird? Wie kann es sein, dass die Rufe „Freiheit für Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer“ (de facto die Vernichtung des jüdischen Staates!) von Liberalen in den westlichen Demokratien weithin akzeptiert und gerechtfertigt werden? Und warum wird angesichts der steigenden Todeszahlen in Gaza die Forderung nach Einstellung der Kämpfe ausschließlich an Israel und nicht an die Hamas gerichtet?  Wie kommt es, dass die satanische Strategie der Hamas hinter Zivilisten als Schutzschilden zu kämpfen, die Demonstranten, die zu einem Waffenstillstand aufrufen, nicht beunruhigt? All dies (und Vieles mehr) lässt einen erkennen, was bis vor Kurzem fast undenkbar war: Die Perspektiven haben sich verschoben und die Dinge werden völlig anders gesehen, wenn „der Jude „(um Sartres Logik zu verwenden) involviert ist. Die Fakten spielen keine Rolle in der Beurteilung, was in der realen Welt passiert.

Die aktuellen gesellschaftspolitischen Einstellungen und Diskurse sind sehr beängstigend! Für viele führen sie zu Erinnerungen an dunkle Zeiten in der jüngeren europäischen Geschichte. Der Anklang an bösartige Mechanismen der Propaganda und ihrem Potenzial, Massen von Menschen anzuziehen, toxischen Führern zu folgen und totalitäre Regime zu umarmen, drängen sich auf. Offensichtlich ist das alte lateinische Sprichwort „Vox populi vox Dei“ nicht immer wahr. Peter Viereck (1956) schrieb, dass  sich die Vox Dei  als Vox Diaboli entpuppen kann. Das Potenzial für zerstörerischen Populismus wächst, wenn Menschen dazu neigen, in ihrer Komfortzone der eingängigen, trendigen und leicht zu verdauenden Propaganda zu bleiben ( und z.B. nicht die Charta der Hamas  lesen, um ihre Kernüberzeugungen und Visionen zu verstehen). Die Trommeln des Antisemitismus sind deutlich zu vernehmen.

Viele liberale Israelis fühlen sich völlig verloren und verwirrt. Sie setzten sich dafür ein, die ultrarechte Regierung zu stürzen und das unrechtmäßige Verhalten der Siedler in den besetzten Gebieten zu delegitimieren. Sie hielten an der Vision der Zwei-Staaten-Lösung fest trotz vieler Rückschläge. Die derzeitig allgegenwärtige anti-israelische und anti-jüdische Stimmung in den Straßen und Universitäten wirkt jedoch wie ein letzter Schlag gegen uns. Wir wachten in einer veränderten Realität auf (oder vielleicht war es immer so)?, in der  islamisch-totalitäre Regime und Organisationen (d.h. Iran) unser individuelles und kollektives Dasein bedrohen. Die Hamas wird nicht als das wahrgenommen, was sie ist – ein mörderischer Mechanismus, der vom Iran mobilisiert wird, um die vollständige Kontrolle über die Region zu erlangen.

Man kann sich in Sartres Schriften flüchten und seine Ansichten nutzen, um vieles von dem zu entschlüsseln, was heute geschieht, und dennoch hoffen, dass dies nicht das ganze Bild abdeckt. Vielleicht sind noch nicht alle konstruktiven und rationalen Haltungen in Bezug auf den israelisch-palästinensischen Konflikt blockiert. Meiner Ansicht nach ist es dringend notwendig, die komplizierten Interessen zu verstehen und die mächtigen Akteure zu kennen, welche den Konflikt in einen internationalen  Krieg verwandeln wollen, in dem fundamentalistische Regime eine große Rolle spielen. Sind Hamas und Hisbollah ( Stellvertreter des iranischen Terrors zusammen mit dem Dschihad im Gazastreifen, schiitische Milizen in Syrien und im Irak und Huthis im Jemen) die besten Vertreter palästinensischer Interessen? Diese mächtigen Spieler schaffen es, die "Underdog-Karte" zu ziehen, selbst wenn sie unverzeihliche Gräueltaten begehen. Sie werden sofort von jeglichem Fehlverhalten frei gesprochen. Ist dies nicht eine verzerrte und extrem vereinfachte ( um nicht zu sagen dumme) binäre Weltsicht? Ich hoffe zusammen mit vielen israelischen Liberalen, die an eine "Zwei-Staaten-Lösung" glauben, dass die Welt zur Vernunft kommt und sich für eine gerechte und friedliche Lösung für beide Nationen einsetzten wird.


Varda Muhlbauer, Ph. D


Varda Muhlbauers (zusammen mit Mina Zemach) herausgegebener Band „Behind the  Partition: Ultra-orthodox women, power and poltics wird voraussichtlich im Januar 2024 erscheinen.


Über die Autorin: 

Varda Muhlbauer ist pensionierte Dozentin für Psychologie. Sie ist daran interessiert, die Art und Weise zu analysieren, wie sich Machtstrukturen auf geschlechtsspezifische Probleme auswirken. In letzter Zeit haben kulturelle und geopolitische Veränderungen dazu geführt, dass sie sich auf Fragen der Identität konzentriert, die  mit Religion, Nationalismus und Liberalismus in Verbindung stehen.


[1]dt. „Überlegungen zur Judenfrage. Neuauflage bei Rowohlt 2023

24.10.2023/29.10.2023

Flächenbrände

 

Viel ist derzeit vom drohenden militärischen Flächenbrand die Rede, der ausbrechen könnte, wenn der Iran seinen Hilfstruppen im Libanon, der Hisbollah, den ganz großen Schießbefehl gibt. Der kleine Schießbefehl ist bereits erfolgt und hat immerhin zur Evakuierung der 20.000 Einwohner-Stadt Qiryat Schmona und mehreren Dörfern an der Grenze zum Libanon geführt. Im Gegensatz zu Hamas und Hisbollah opfert Israel seine Zivilbevölkerung nicht und benutzt sie schon gar nicht als Schutzschilde, wie es die „Free-Palestine-Aktivisten“  in Gaza tun und weltweit gutheißen. „Lives matter“ gilt in Israel als oberstes Gebot, „Palästina oder Tod“ hat sich die andere Seite auf die Fahnen geschrieben. Der Flächenbrand „Solidarität mit Palästina“ lodert bereits weltweit und wird kräftig vom Antisemitismus geschürt. Nun hat sich auch Greta Thunberg solidarisiert und an die Spitze der Aufmerksamkeit gesetzt. Zwar hat sie ihre Stoffkrake bei der spektakulären Aktion verschwinden lassen, weil man die ja antisemitisch hätte deuten können, aber Plakate „Free Palestine“ und „Stand with Gaza“ durften schon sein. Klimaglobalpolitisch denken heißt in ihrem Fall wie bei vielen GesinnungsgenossInnen offenbar: Alles hängt mit allem zusammen und am Ende sind wie immer die Juden schuld (vgl. SZ vom 23.10.23 „Du, Greta?“). Kein Wort über die grauenhaften Massaker vom 7. Oktober, kein Wort über die mehr als 200 in den Untergrund Gazas verschleppten Geiseln, kein Wort über die Verbrechen der Hamas an der eigenen Zivilbevölkerung, wenn sie aus Hochhäusern, Moscheen und Schulen ihre todbringenden Raketen abfeuern, kein Wort über die Rakete des Islamischen Dschihad, die ein Krankenhaus in Gaza-Stadt getroffen hat und propagandistisch zur Mobilisierung gegen Israel in der arabischen, der islamischen, aber eben auch in der links-engagierten Welt geführt hat. Faktenfrei die Öffentlichkeit kapern- Trump und seine weißen Suprematen können noch was lernen.[1]

 

Aber wie funktioniert so was? Es gilt schon zu unterscheiden!

 

Das sind zum einen die Politprofis, die wissen, was sie tun. Der König von Jordanien sagt einen Besuch des amerikanischen Präsidenten ab, weil die Empörung der Massen ihn wegfegen könnte. Sisi, der Präsident der Ägypter, hat zwar einen Friedensvertrag mit Israel und lässt keine Flüchtlinge aus Gaza in sein Land, weil mit ihnen Terroristen einsickern könnten, aber bei der „Friedens-Konferenz“ am Wochenende in Kairo lässt er als Gastgeber keinen Zweifel daran, dass das Übel von Israel ausgeht(„militärische Eskalation durch Israel“ und „Kollektivbestrafung der Palästinenser“). Erdogan, der Möchtegern-Regionalleader-Nahost, will gegen den Konkurrenten Iran punkten und bezichtigt wider besseren Wissens Israel, „die grundlegendsten menschlichen Werte nicht zu befolgen“ und unschuldige Zivilisten in Krankenhäusern zu bombardieren. Gerne würde er den Vermittler wie im Russland-Ukraine-Krieg spielen, aber auch er glaubt, dem antisemitischen Mob auf den Straßen nach dem Mund reden zu müssen.

 

Womit wir bei der arabisch-islamistisch-antisemitischen Internationale wären. Gepuscht von Desinformation und Gerüchten wütet sie auf allen Ebenen der Öffentlichkeit, sei es in Neukölln oder in Fußballstadien wie bei Celtic Glasgow oder in den anti-sozialen Netzwerken (Mazraoui, Kicker bei Bayern München: „Die unterdrückten Brüder von Palästina sollten im Konflikt mit Israel den Sieg erringen“). Die Orchestrierung der Ereignisse durch die Hamas funktioniert wie schon so oft in der Vergangenheit. Der eigenen Brutalität folgt der Gegenschlag Israels- dem Leid der Zivilbevölkerung wird nachgeholfen durch eigene Raketen (oder denen des verbündeten Islamischen Dschihad)- Bilder und Zahlen werden manipuliert - Haniyeh, der empörte Leader im sicheren Qatar ruft am Freitag, wenn gläubige Muslime in die Moschee gehen, zum weltweiten „Tag des Zorns“ auf und Fernsehsender Al Jazeera sorgt dafür, dass die hintersten Ecken der Welt auf dem neuesten Stand sind. Arglose Medien im Westen wie BBC und ARD[2] fallen immer wieder darauf herein und übernehmen diese Darstellung. Zwar weiß man es schon Stunden später besser und versucht zu korrigieren und zu relativieren, aber was auf diese Weise einmal in der Welt ist, kann nicht mehr zurück genommen werden. Und natürlich wird in der arabisch - islamistischen Welt gar nichts zurück genommen. Was einmal Wahrheit war, bleibt auch Wahrheit. Israel führt Krieg gegen die armen Palästinenser, es war schon immer so und bleibt auch so.

 

Aber woher soll man denn wissen, dass es so läuft? 2008 gab es die sogenannte Operation „Gegossenes Blei“. Nach massivem Raketenbeschuss rückte Israel mit Panzern in den Gaza-Streifen ein und zwang die Hamas zu einem Waffenstillstand. Auch damals gab es viele zivile Opfer mit der entsprechenden weltweiten Empörung über den „Kindermörder Israel“. Die UN setzte eine Untersuchungskommission ein unter Leitung des ehemaligen südafrikanischen Verfassungsrichters Richard Goldstone. Nach Veröffentlichung des Berichts wurde Israel in einer UN-Resolution verurteilt und vielfacher Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung bezichtigt. 2011 bedauerte Goldstone seinen Bericht und die Resolution, weil inzwischen viele Sachverhalte aufgeklärt waren und Israel keine Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung vorzuwerfen waren. Die Resolution wurde nicht zurückgenommen, Israel stand in der öffentlichen Meinung weiterhin als Kriegsverbrecher da.[3]

Ich bin sicher, wenn die Ereignisse vom Oktober 2023 einmal aufgeklärt und „historisch“ sind, wird es ähnlich aussehen.

 


Aber warum funktioniert das so wie es funktioniert?

 

Wichtig wäre zu verstehen, wie tief der Antisemitismus im Islam verankert ist. Wir sind gewohnt Islam und Islamismus zu trennen - und das ist gut so. Insbesondere quantitativ, denn die große Mehrheit der Muslime, sowohl in Deutschland als auch weltweit, sind keine Islamisten. Politische Radikalisierung dient nicht dem Leben und ist daher auch für die Mehrheit der Muslime keine Option. Eine andere Frage  ist es, inwiefern Antisemitismus konstitutiver Bestandteil des religiösen Bewusstseins im Islam ist. Dieselbe Frage stellt sich auch für das Christentum und soll in einem späteren Beitrag verhandelt werden. [1] Falsch ist meiner Meinung nach die Behauptung, der Antisemitismus im deutschen (und europäischen) Islam sei ein Re-Import des rassistischen europäischen Antisemitismus, der zum Holocaust geführt hat, und bis heute im gesellschaftlichen Bewusstsein hierzulande grassiert. Yehuda Bauer hat diesen Sachverhalt bereits 2018 präzise analysiert und dargestellt. [2] Durch meine Erfahrungen im Religionsunterricht, an dem immer mal wieder auch muslimische SchülerInnen teilgenommen haben, sehe ich sein Ergebnis bestätigt. Einer dieser Schüler in einer Gymnasialklasse beteiligte sich durchaus interessiert am Unterricht, vertrat nach meiner Erinnerung durchaus „liberale“ Ansichten, äußerte sich, von mir auf seine Sicht des Judentums angesprochen, etwa folgendermaßen: Unser Koran sagt, dass am Ende der Tage sich die Juden bei der großen Abrechnung hinter Bäumen verstecken werden. Aber die Bäume werden den Engeln mit den Schwertern verraten, wo sie stecken, und sie werden ihre gerechte Strafe bekommen, weil sie den Propheten ablehnen [3]. Wie gesagt dieser Schüler war kein Radikaler - er besuchte eine christliche Privatschule -, aber er scheint mir repräsentativ für die Vorstellungswelt vieler Muslime zu sein. Nicht nur der Islamismus transportiert den Antisemitismus, sondern auch das „normale“ islamische Bewusstsein. Natürlich denken nicht alle Muslime so, aber ähnlich wie im Christentum die Judenfeindschaft bis in die Wurzeln reicht, so auch im Islam. Aufklärung kann helfen, diesen Wahn zu vertreiben - nachhaltig zum Erfolg geführt, hat sie nicht. 

 

 

Anders zu erklären ist die oft klammheimliche, manchmal aber auch in Parolen versteckte Sympathie für den Antisemitismus in subkulturellen Milieus. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung [4] erklärt der Antisemitismusforscher Jakob Baier die Zusammenhänge anhand der Club-Szene. Während man sich in der Vergangenheit bei islamistischen Angriffen auf Clubs solidarisch zeigte, blieb es nun auffallend still nach dem Massaker auf das Supernova-Sukkot-Gathering-Festival im Kibbuz Re`im, bei dem auf bestialische Weise mehr als 260 Menschen getötet, gefoltert, vergewaltigt wurden. Viele Partys in den Clubs werden begleitet von Flyern wie: „Wir tolerieren keine Form von Rassismus, Sexismus, Transfeindlichkeit, Homophobie!“ Oder der kulturelle Code heißt: „Wir verstehen uns als queerfeministisch, antifaschistisch, transpositiv, sexpositiv, antikolonialistisch, anti-kapitialistisch, Anti-Apartheid“. Da fehlt doch was! Tatsächlich wird Antisemitismus gelegentlich als eine Form von Rassismus „mit-verurteilt“, aber der blinde Fleck fällt grell ins Auge. „Juden zählen nicht!“ hat schon der britische Autor David Baddiel 2021 an zahlreichen Beispielen gezeigt [5]. Verbrechen an Juden zählen nicht, denn Juden gelten als weiß, mit großer Machtfülle ausgestattet und sind weltweit die Täter. Sie können also gar keine Opfer sein. Hinzu kommt das Geschwätz von „Israel als kolonialem Gebilde“, mit dem BDS weltweit gegen Israel mobil macht, und auch hierzulande vernünftige Argumentation ersetzt. Kunst und (pseudo-) linke Ideologie vermischen sich zu einem  Antisemitismus der besonderen Art und bekämpfen die Werte, für die man (angeblich) selbst eintritt.

 

Noch schärfer analysiert Nathan Sznaider „die Lüge der Linken“ [6]. Er sieht die Ursache für mangelnde Empathie und beschränktem Urteilsvermögen in einem „universalistischem Trugschluss“, der in der Parole „durch Wohlstand zu Frieden“ ausdrückt. Gemeint ist damit die Idee, dass man Terrorismus vom Schlage der Hamas ökonomisch befrieden und Konflikte durch Kompromisse beilegen kann. Man hätte es seit 1945 wissen können, dass die alte Welt im Sinne einer transzendentalen Vernunft und ihrer Gewissheiten nicht mehr besteht. Genau das sei der tödliche Irrtum der Tanzenden an der Grenze zum  Gazastreifen gewesen. Lustvolle Freiheit und tödlicher Nihilismus können nicht unmittelbar nebeneinander koexistieren. Das Massaker geschah, weil der Staat, in diesem Fall Netanjahus rechtsextreme Regierung, die Freiheit nicht schützen konnte. Und gerade deshalb sind die harten Aktionen Israels in Gaza jetzt legitim. Die Anwesenheit des Staates muss wieder hergestellt werden. Freies und jüdisches Leben muss in Israel, gerade an den Grenzen, wieder möglich sein. Die Alternative wäre Selbstaufgabe.

 

Die Parallele mit Russlands Krieg gegen die Ukraine liegt auf der Hand. Wenn es stimmt, dass die Ukraine auch die Freiheit der westlichen Demokratie verteidigt und daher die massiven Waffenlieferungen legitim sind, dann ist es auch die Zerschlagung der Hamas trotz der Opfer, die ein hartes Vorgehen mit sich bringen. Die UN-Resolution nach einem sofortigen Waffenstillstand untergräbt das Selbstverständnis der Vereinten Nationen. Staaten müssen ihre Bürger schützen können. So viel politisches Urteilsvermögen muss sein. Und noch einmal Sznaider: „Dieser Kampf wird auch für diejenigen Deutschen geführt, die „Free Palestine from German Guilt“ skandieren, wohl der skandalöseste und fast schon nazistische Schlachtruf eines politischen Milieus, das den politischen Kompass verloren hat.... Auch darum geht es in diesem Krieg. Nicht nur um das Überleben der Israelis und Juden, sondern um das Besiegen des Dschihadismus. Damit auch die Gegner der Juden frei leben können.“Ich dem kann nur hinzufügen: Insofern man mit extremer politischer Vernunft-Beschränkung überhaupt „frei“ leben kann.


  




[1] vgl. aber Berliner Zeitung vom 21.10.23: Deutsche Klimaschützer grenzen sich von Greta Thunberg ab. Greta Thunberg hatte sich solidarisch mit Palästina erklärt – aber nicht mit den Opfern der Hamas. Nun reagierte Fridays for Future Deutschland.

[2] Ansonsten finde ich die Berichterstattung der ARD gründlich und zuverlässig. Vgl. z.B. „Hart aber fair“ am Montag, 23.10.23 mit Guido Steinberg als Experten

[3] Goldstone nimmt Vorwürfe gegen Israel zurück, SZ 4. April 2011

[4] Vgl. aber die Predigt in der Epiphaniaskirche vom August 2022, hier: Blog-Aktuelles

[5] Y. Bauer, Der islamische Antisemitismus, LIT-Verlag Berlin 2018

[6] Vgl. den Wikipedia-Eintrag zu al-Gharqad 

[7] „DJs for palestine“? Normal, SZ 25.10.23, S. 11

[8] D. Baddiel, Und die Juden?, München 2021

[9] N. Sznaider, Zur Lüge der Linken, SZ vom 25.10.23, S.11




17.10.2023

Israel im Krieg - was geht das uns an?


Gespräch mit den neunten Klassen des Ursulinen Gymnasiums Mannheim (UGM) über den Nahostkonflikt.


09.10.2023

Krieg gegen Israel

 

 

Am Samstag, dem 8. und letzten Tag des jüdischen Laubhüttenfests (Schemini Azeret), hat die Hamas in einer gründlich vorbereiteten Aktion Israel überfallen, Hunderte Menschen getötet, ist in Wohnungen an den Grenzorten eingedrungen, hat gefoltert und Geiseln genommen, verschanzt sich bis jetzt (9.10.23) und verbreitet Terror in kaum vorstellbarem Ausmaß. Manche sprechen von Israels 9/11, andere von Israels Pearl Harbor, auch der Vergleich mit dem Jom-Kippur-Krieg vor ziemlich genau 50 Jahren ist naheliegend, als ebenfalls an einem jüdischen Feiertag völlig überraschend die arabischen Nachbarn Israel angriffen und für eine hohe Zahl an Opfern unter Soldaten und Zivilbevölkerung sorgten.  Als die Menschen um 6.30 Uhr Ortszeit von den Luftalarm-Sirenen geweckt wurden, gingen wohl alle von einem der üblichen Raketenangriffe aus dem Gaza-Streifen aus, verbunden mit dem üblichen Aufsuchen der Schutzräume und der baldigen Entwarnung, nachdem Luftabwehr und Luftwaffe ihre Arbeit getan hatten. Nicht so an diesem Schabbat: Offensichtlich waren die Raketen mehr Täuschung als Angriff, denn dieser erfolgte mit ganzer Wucht, als der Grenzzaun an mehreren Stellen gleichzeitig durchbrochen wurde und die Terroristen „zu Lande, zu Wasser und in der Luft“ infiltrierten.

 

Heute am 3. Tag des Krieges ist das Ausmaß der Gewalt fürchterlich: mehr als 800 Tote in Israel, 2.500 Verletzte, über 100 Geiselnahmen und Entführungen nach Gaza, andauernde Kämpfe im Land, traumatisierte Menschen ohne Ende. Bei Gegenangriffen der israelischen Armee im Gazastreifen wurden bereits 500 Menschen getötet, die Zahl der Verwundeten liegt vorerst bei über 2.000. Besonderes Entsetzen hat ein Massaker an Festival-Teilnehmern ausgelöst: mehr als 250 Leichen sind auf dem Festgelände beim Kibbuz Reʿim gefunden worden. Auch eine relativ hohe Zahl von Ausländern ist unter den Todesopfern und Entführten, was vermutlich mit dem internationalen Charakter des Rave-Festivals zusammenhängt.

 

In unseren Medien werden hilflose Sprechblasen wie „Gewaltspirale“ bemüht (mehrfach bei Phoenix am 8.10). Ich sehe darin eine unglaubliche Verharmlosung des Terrors. Als hätte „Gewalt“ ihre eigenen Gesetze. Das ist Unsinn: es gibt Täter und Opfer, es gibt Ursache und Wirkung. In fundamental-pazifistischen Kreisen mag man das anders sehen, aber die Tatsachen zeigen die Wirklichkeit, wie sie ist: Der Terror der Hamas richtet sich gegen die Zivilbevölkerung, auch Kinder werden als „zionistische Soldaten“ betrachtet, das Hinschlachten von Hunderten friedlich Feiernden lässt auf einen Wettbewerb mit russischen Wagner-Soldaten schließen nach dem Motto „Wer kann die grausamsten Kriegsverbrechen?“ Natürlich hat der Staat Israel das Recht und die Pflicht, diese Art von Gewalt gegen seine Staatsbürger so schnell und so wirksam wie möglich zu beenden und womöglich dafür zu sorgen, dass Derartiges in absehbarer Zeit nicht wieder passiert.

 

Womit wir beim Versagen der Netanjahu-Regierung bei genau dieser Aufgabe wären. Mit seinen rechtsradikalen Kumpanen hat er dem Land einen fast einjährigen Kampf um die Demokratie aufgenötigt. Das Land war zumindest bis zum 7. Oktober 2023 gespalten, Identifikation und Motivation waren gerade bei vielen Reservisten auf dem Nullpunkt. Der Kampf um die Demokratie Woche für Woche am Samstagabend hat Kraft gekostet, über 20% der Bevölkerung haben sich sogar mit dem Gedanken an Auswanderung getragen. Die Regierung war mit dem Falschen beschäftigt: Verbündete wie die USA wurden verprellt, Friedenschancen mit Saudi-Arabien vertan, Militäraktionen im Westjordanland unnötig befeuert (Ben Gvir; Smotrich), die Symbolik von Al-Aksa und Tempelberg verkannt, indem militante Beter unterstützt wurden... Bei all dem scheint die auffällig ruhige Hamas völlig aus dem Fokus verschwunden zu sein. Geheimdienst und Militär haben wohl auch deshalb versagt, weil die Dilettanten in der Regierung zu vielen Dilettanten in wichtigen Positionen die Verantwortung überlassen haben. Mosche Zimmermann, der in Hamburg geborene israelische Historiker,  hat es in einem Interview mit der ARD am Sonntag mit der ihm eigenen Präzision und Urteilskraft auf den Punkt gebracht: Diese Regierung hat den Zionismus in Israel untergraben, denn der Zionismus ist entstanden, um Pogrome an Juden zu verhindern, indem man eine sichere Heimstätte in Palästina schafft. Was aber am Wochenende geschehen ist, ist der erste Pogrom auf dem Boden Israels!

 

Wie wird es weiter gehen? Unklar ist die Lage im Norden. Immer wieder wird von Aktionen der schiitischen Hisbollah berichtet: Raketenangriffe und Eindringen nach Israel. Bisher waren das Aktionen, die das israelische Militär schnell im Griff hatte. Aber was ist, wenn tatsächlich der Iran bei den Ereignissen am Wochenende die Hand im Spiel hatte, möglicherweise sogar federführend war? Dann ist eine Eskalation in den nächsten Tagen an mehreren Fronten nicht auszuschließen. Die USA treffen entsprechend Vorkehrungen und schicken Kriegsschiffe und Flugzeuge ins östliche Mittelmeer. Außerdem gilt Katar als maßgeblicher Unterstützer der Hamas, hat aber in letzter Zeit Friedenssignale Richtung Israel gesandt. Wollen Hamas und Iran das durch Eskalation verhindern? Möglich, aber  wohl etwas zu viel konstruiert.

 

Entscheidend in meinen Augen ist, wie es innenpolitisch in Israel weiter geht. Lapid und Gantz haben Netanjahu eine Notstandsregierung angeboten. Lapid macht zur Bedingung, dass die Rechtsradikalen dafür rausfliegen. Um Politikfähigkeit zivil und militärisch wieder herzustellen, wäre es nach meiner Ansicht die beste Lösung. Aber wie würden die äußerste Rechte reagieren? Sie haben in jüngster Vergangenheit Stärke bewiesen, als sie Gegendemonstrationen gegen die Demokratie-Bewegung organisiert haben. Sie werden sich die Machtpositionen, die sie durch die Koalition mit Netanjahus Likud errungen haben, nicht einfach nehmen lassen. Andererseits wird ohne die Unterstützung durch die zionistischen Säkularen der Machtkampf mit der Hamas nicht zu gewinnen sein. Die Ereignisse vom Wochenende zeigen, dass sich in Gaza etwas grundlegend ändern muss und zwar so, dass  die Hamas in der Zukunft keine Rolle mehr spielt. Das wird ohne Invasion und wohl auch ohne erneute Besetzung des Gazastreifens nicht möglich sein. Das wird dauern und hohe Verluste fordern, aber ein Schrecken ohne Ende ist auch keine Lösung. Jedenfalls hat das Wochenende bewirkt, dass die Spaltung des Landes beendet ist und die sogenannte Justizreform vom Tisch ist. Man wird gegen die Aggressoren an einem Strang ziehen, zumindest was die vernünftige Mitte angeht. Meine Hoffnung ist, dass man die Humanität bewahrt und sich nicht auf dasselbe moralische Niveau wie die Terroristen begibt. Noch wird die Zivilbevölkerung vor den Luftschlägen gewarnt, aber schon ist die Rede von der Abriegelung des Gazastreifens, was noch größeres Elend und Not bedeuten würde, als ohnehin schon durch die Herrschaft der Hamas besteht. Auch die Geiseln werden nicht zu retten sein, wenn zu hart vorgegangen wird. Zudem wird man die Ausweitung des Konflikts vermeiden müssen, bevor sich weitere arabische Staaten mit den radikalen Palästinensern solidarisieren.

 

Zu viele Fragen sind offen und eigentlich sollte man einfach nur sprachlos sein. Aber das geht ja auch nicht. 





12.06.2023

Handout Vortrag Lions-Club Leimen

75 Jahre Israel - Israel heute

„Über Israel reden“ (Meron Mendel) ist insbesondere in Deutschland heikel. Es existieren unterschiedliche „Narrative". Beispiele:


  • palästinensische Solidarität
  • Pro Israel-Position christlich-fundamentalistischer Gruppen
  • Israel als „Staatsräson“ (Ex-Bundeskanzlerin A. Merkel)


Zurück in Israel


26.02.2023


Ich bin jetzt seit 10 Tagen in Israel und werde drei weitere Wochen bleiben. Hauptzweck der Reise ist die Recherche zum Buch über Jochanan Valfer, den Mannheimer, der mit 15 Jahren 1938 seine Aliya nach Palästina machte, um den Nazis zu entfliehen. Hauptthema und alle Zeit gegenwärtig ist freilich die schwerste Krise seit Gründung des Staates Israel, wie Präsident Herzog am Wochenende laut Haaeretz sagte. Netanjahus extreme Rechtskoalition will das Justizsystem zerschlagen, um mit einfachen Mehrheiten im Parlament alle Gesetze durchbringen zu können. Das soll natürlich ihm in seinem immer noch anhängigen Prozess nützen, aber auch seinen kriminellen Partnern in der Regierung. Andere Folgen könnten weit schlimmer sein: der willkürlichen Siedlungspolitik wären Tor und Tür geöffnet, Soldaten würden verstärkt in Gewissenskonflikte geraten, wenn sie Gesetzte durchsetzen sollen, die gegen die Menschenrechte verstoßen, Frauenrechte und Rechte der arabischen Minderheit könnten im Handumdrehen gecancelt werden. Ich war jetzt zweimal bei den Protestveranstaltungen in Kfar Saba, einer Stadt mit ca. 100.000 Einwohnern 30 km nördlich von Tel Aviv. Sie waren Teil der landesweiten Proteste, die wöchentlich am Samstagabend nun zum 8. Mal stattfanden. Die Teilnehmerzahl hat gestern noch einmal zugenommen, landesweit waren wohl um die 200.000 Menschen auf der Straße.


Die Stimmung gestern war lauter, härter, entschlossener. Immer wieder werden die Rednerinnen von Rufen wie "Demokratie", "Schande", "Bibi geh nach Hause", wahlweise "...ins Gefängnis " unterbrochen, aber auch "kein Faschismus!" ist manchmal zu hören. Die Demo ist von der Zivilgesellschaft organisiert. Es sprechen Knessetmitglieder aus der vorherigen Regierungskoalition, eine Frauenrechtlerin, eine arabische Frau, eine 21- jährige für die Kinder und die Jugend, ein homosexueller Abgeordneter, Ex- Armee- und Polizeiführungskräfte und WissenschaftlerInnen. Netanjahu hat der Protestbewegung im Vorfeld mit der Faust gedroht, was die Empörung sicher gesteigert hat. Immer wieder ist auch von Bürgerkrieg die Rede, Gerüchte machen die Runde, dass Bibis Sohn rechtsradikale Schlägertrupps mobilisiert. Dennoch ist die Stimmung überwiegend gelöst. Das Fahnenmeer und die Nationalhymne am Ende zeigen, dass man sich national und bunt versteht. Mein Begleiter Avner hofft, dass sich die liberalen Rechten und die liberalen Religiösen verstärkt den Protesten anschließen, was Bibi zu Fall bringen könnte. Eindrucksvoll war für mich besonders die Jugendvertreterin. Sie meinte, dass wir jetzt endlich kapieren, was gemeint ist, wenn in der Schule über Demokratie gelernt wurde. Vielleicht ist Optimismus doch angebracht, weil diese Bewegung nicht nur in Aufruhr ist, sondern auch den Willen und die Struktur hat, erfolgreich zu sein.



14.03.2023

Neuer Rekord bei Protesten

 


Am letzten Samstagabend waren nach Angaben der Veranstalter etwa eine halbe Million Menschen auf den Straßen in Israel,um gegen die Justizreform der extremen Rechtsregierung zu protestieren. Die Medien sprechen etwa von der Hälfte, auf alle Fälle waren es die größten Demonstrationen seit Staatsgründung. Ich war in Tel Aviv dabei, wo ca.160.000 gegen Netanjahus "Coup" mobil machten. Auch Likud-Anhänger waren zu sehen und bekamen Sonderapplaus. Immer mehr wird der Protest zu einem Kampf der "Säkularen" gegen die Religiösen bzw. gegen den religiösen Fundamentalismus.


Arie, mein Begleiter, hatte ein entsprechendes Plakat gestaltet mit der Anspielung auf die "Opferung Isaaks": Möge Gott den Killern der Demokratie in die Arme fallen wie Abraham, der bereit war, seinen liebsten Sohn zu opfern.

Am Abend zuvor habe ich beim Schabbatessen eine interessante Diskussion unter lauter Netanjahugegnern erlebt. Alle sind sich einig, dass wir uns mitten in der größten Krise Israels befinden trotz diverser Kriege in der Vergangenheit. Die Unterschiede sind:

 

  • Es ist nichts mehr zu machen, Israel ist am Ende und so ist es schon, seit es sich als jüdischen Staat versteht. Jüdisch und demokratisch geht nicht. Die Unterdrückung der Araber musste zum Ende des Staates führen.

 

  • Die Krise ist tiefgreifend, aber nicht entschieden. Wer kann und will, setzt sich mit einer möglichen Auswanderung auseinander. Viele haben ausländische Pässe beantragt. In einer Theokratie wollen sie nicht leben.

 

  • Der Geist des Zionismus ist stärker. Die vielen Flaggen zeigen es. Wir lassen uns diesen hart erkämpften Staat nicht kaputt machen. Die Hymne Hatikwa bedeutet Hoffnung, wir singen sie auch jetzt nicht umsonst.

 

Als notorischen  Bloch-Anhänger mit seinem "Prinzip Hoffnung " ist mir die letzte Position natürlich am nächsten. Der stärkste Protesttag war letzten Donnerstag. Die Autobahn Ayalon von Tel Aviv in den Norden wurde blockiert, ebenso wie die Zufahrt zum Flughafen Ben Gurion. Bibis Abflug nach Italien wurde dadurch und durch die Weigerung der meisten Piloten, ihn zu fliegen, behindert. Hinzu kam, dass in Rom zunächst niemand für ihn übersetzen wollte. Ben Gvir, der Sicherheitsminister, hatte sich zum Flughafen begeben, um das Kommando bei eventueller Eskalation zu übernehmen. Dann kam der Terroranschlag in Tel Aviv und alle Protestmaßnahmen wurden eingestellt. Seit gestern ist der andere Rechtsaußen Smotrich auf Staatsbesuch in den USA, wo ihn laut der Jüdischen Allgemeinen niemand empfangen will. Netanjahu schwafelt zwar immer noch von Demonstranten, die sich wahlweise wie Impfgegner oder Terroristen verhalten, aber die Realität hat ihn spätestens eingeholt, seit Staatspräsident Herzog eingegriffen hat und auf einen Kompromiss in der Knesseth drängt. Dort allerdings stehen die Zeichen eher auf weiterem Durchpeitschen der "Reform " bzw Boykott des Parlaments durch die Opposition.

 

Ich bin inzwischen für die letzten Tage dieses Aufenthalts auch in Jerusalem angelangt, müde und voller Erfahrungen und Begegnungen in den letzten vier Wochen. Heute gibt es viel vom dringend benötigten Regen und Zeit zum Schreiben.




 Bilder meiner Reise Feb./März 2023

1. Morgen in Tel Aviv
1. Morgen in Tel Aviv
1. Demo in Kfar Saba
1. Demo in Kfar Saba
1. Demo in Kfar Saba
1. Demo in Kfar Saba
Militärflugplatz Ramat David
Militärflugplatz Ramat David
An Moshe Dayans Grab über Jeseel-Ebene
An Moshe Dayans Grab über Jeseel-Ebene
Arabisches Restaurant
Arabisches Restaurant
Kindergarten aus den Anfängen des Staates (Kibbutz Dworat)
Kindergarten aus den Anfängen des Staates (Kibbutz Dworat)
Berg Tabor (Verklärung Jesu)
Berg Tabor (Verklärung Jesu)
Auf Jochanans Spuren im Kibbutz Ginegar
Auf Jochanans Spuren im Kibbutz Ginegar
Frühstückspomelo
Frühstückspomelo
Theresienstadt Museum in Givat Hayim
Theresienstadt Museum in Givat Hayim
Totengedenken an der Grenze zu Gaza
Totengedenken an der Grenze zu Gaza
Grenze zum Gazastreifen
Grenze zum Gazastreifen
Blick auf den Gazastreifen
Blick auf den Gazastreifen
25 Grad Ende Februar
25 Grad Ende Februar
Herzliya
Herzliya
Auch Engel fahren Fahrrad
Auch Engel fahren Fahrrad
Strand bei Haifa - Sonnenuntergang
Strand bei Haifa - Sonnenuntergang
Haifa bei Nacht
Haifa bei Nacht
Protestveranstaltung am Samstag 25.02.2023
Protestveranstaltung am Samstag 25.02.2023
Warnung vor Teheranisierung
Warnung vor Teheranisierung
Blick auf den Hafen von Haifa
Blick auf den Hafen von Haifa
Strand bei Haifa am Morgen
Strand bei Haifa am Morgen
Morgenspaziergang Haifa
Morgenspaziergang Haifa
Morgenspaziergang Haifa
Morgenspaziergang Haifa
Ben Gurion Grab
Ben Gurion Grab
Am Ben Gurion Grab
Am Ben Gurion Grab
Am Ben Gurion Grab
Am Ben Gurion Grab
Am Ben Gurion Grab
Am Ben Gurion Grab
Römische Wasserleitung in Caesarea
Römische Wasserleitung in Caesarea
Römische Wasserleitung in Caesarea
Römische Wasserleitung in Caesarea
In Caesarea
In Caesarea
Sde Boker, Ben Gurions Kibbutz in Negev
Sde Boker, Ben Gurions Kibbutz in Negev
Mitzpe Ramon
Mitzpe Ramon
Krater Mitzpe Ramon
Krater Mitzpe Ramon
Blick auf 4 Länder: Ägypten, Jordanien, Saudi-Arab., Israel
Blick auf 4 Länder: Ägypten, Jordanien, Saudi-Arab., Israel
Eilat am Roten Meer
Eilat am Roten Meer
Timna
Timna
Rohstoffgewinnung am Toten Meer
Rohstoffgewinnung am Toten Meer
Wieder in Tel Aviv
Wieder in Tel Aviv
Altneuland, hier Templerdorf Sarona
Altneuland, hier Templerdorf Sarona
Nochmal Kontrast: 19. Jahrhundert- heute
Nochmal Kontrast: 19. Jahrhundert- heute
Purim auf Rothschildboulevard
Purim auf Rothschildboulevard
Tel Aviv, Blick auf Jaffa
Tel Aviv, Blick auf Jaffa
Tel Aviv, Blick auf Jaffa
Tel Aviv, Blick auf Jaffa
Tel Aviv
Tel Aviv
Tel Aviv
Tel Aviv
Dort geht sie unter
Dort geht sie unter
Dort geht sie unter
Dort geht sie unter
Alter osmanischer Bahnhof
Alter osmanischer Bahnhof
Vollmond über Tel Aviv
Vollmond über Tel Aviv
Good morning Tel Aviv 2023!
Good morning Tel Aviv 2023!
Noch mal Alter Bahnhof Tel Aviv
Noch mal Alter Bahnhof Tel Aviv
Am Militär kommt hier keiner vorbei
Am Militär kommt hier keiner vorbei
Führende Köpfe im Bauhaus-Stil
Führende Köpfe im Bauhaus-Stil
Flohmarkt in Jaffa
Flohmarkt in Jaffa
Auf dem Hügel von Jaffa
Auf dem Hügel von Jaffa
Kirche in Jaffa: hier hat Petrus sich v. koscheren Essen verabschiedet
Kirche in Jaffa: hier hat Petrus sich v. koscheren Essen verabschiedet
Blick auf die Kirche
Blick auf die Kirche
Hinauf auf Jaffa
Hinauf auf Jaffa
Holy place: Jona, Isaak, Petrus und der Gerber Simon
Holy place: Jona, Isaak, Petrus und der Gerber Simon
Jaffa, alter Hafen
Jaffa, alter Hafen
Blick von Jaffa auf Tel Aviv
Blick von Jaffa auf Tel Aviv
Rückblick auf die Wüste
Rückblick auf die Wüste
Shakshuka zum Frühstück
Shakshuka zum Frühstück
Bloomfiel Stadium/ Maccabi Tel Aviv
Bloomfiel Stadium/ Maccabi Tel Aviv
Neve Zedek/ Viertel in Tel Aviv
Neve Zedek/ Viertel in Tel Aviv
A gescheits Bier hams a
A gescheits Bier hams a
Auch Tel Aviv kriegt ne Straßenbahn
Auch Tel Aviv kriegt ne Straßenbahn
Nachts in Tel Aviv
Nachts in Tel Aviv
Schabbat Säkular
Schabbat Säkular
Demo wird vorbereitet
Demo wird vorbereitet
Im Getümmel
Im Getümmel
Gabi und Ophira gleichzeitig in Kfar Saba
Gabi und Ophira gleichzeitig in Kfar Saba
Bauhaus all around
Bauhaus all around
Kunstmarkt
Kunstmarkt
Säkularen sind keine Sklaven/ Früheres Plakat, jetzt Button
Säkularen sind keine Sklaven/ Früheres Plakat, jetzt Button
Letzter Blick auf Tel Aviv
Letzter Blick auf Tel Aviv
Zurück am Damskustor
Zurück am Damskustor
Christliches Viertel Altstadt, Jerusalem
Christliches Viertel Altstadt, Jerusalem
Straßenbahn vor dem alten Rathaus, Jerusalem
Straßenbahn vor dem alten Rathaus, Jerusalem
Blick in die Grabeskirche
Blick in die Grabeskirche
Israelmuseum
Israelmuseum
Gang durch die Geschichte - ärchäologisch
Gang durch die Geschichte - ärchäologisch
Gang durch die Geschichte - ärchäologisch
Gang durch die Geschichte - ärchäologisch
Gang durch die Geschichte - ärchäologisch
Gang durch die Geschichte - ärchäologisch
Gang durch die Geschichte - ärchäologisch
Gang durch die Geschichte - ärchäologisch
Gang durch die Geschichte - ärchäologisch
Gang durch die Geschichte - ärchäologisch
Wieder auf dem Ölberg
Wieder auf dem Ölberg
Wieder auf dem Ölberg
Wieder auf dem Ölberg
Wieder auf dem Ölberg
Wieder auf dem Ölberg
Wieder auf dem Ölberg
Wieder auf dem Ölberg
Ist einfach zu schön...
Ist einfach zu schön...
Bei den Österreichern auf eine Sachertorte
Bei den Österreichern auf eine Sachertorte
Torten
Torten
Demokratiezelt vor dem Gerichtshof
Demokratiezelt vor dem Gerichtshof
Sally Azar
Sally Azar
Sie war es doch
Sie war es doch
Time to say good bye
Time to say good bye
Nach 3 Stunden Warten doch noch über den Wolken
Nach 3 Stunden Warten doch noch über den Wolken

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